Ein Weg der Inneren-Kind-Arbeit: Ein Blick ins Hier und Jetzt genügt.
In meiner Arbeit stelle ich immer wieder fest, dass viele Menschen Schwierigkeiten haben, sich mit ihrem Inneren Kind auseinanderzusetzen. Das Innere Kind ist eine Metapher für alte Verletzungen, Erfahrungen und Erinnerungen, die in uns Gefühle und Emotionen auslösen. Diese Emotionen können tiefgreifende Auswirkungen auf unser gegenwärtiges Leben haben. Um mit diesen Emotionen umzugehen, haben wir Schutzstrategien entwickelt – Verhaltensweisen oder Denkweisen, die ursprünglich dazu dienten, uns zu schützen. Dies ist an sich eine kluge Funktion unserer Psyche. Doch häufig sind diese Strategien hinderlich, da sie uns daran hindern, gesunde Beziehungen und emotionales Wohlbefinden zu erfahren.
Um diese Herzenswunden in einen Herzenskompass zu verwandeln, lohnt sich ein Blick in die Gegenwart. Alle alten, bewussten sowie unbewussten Schutzstrategien zeigen sich im Hier und Jetzt – insbesondere in unseren Beziehungen.
Zur Veranschaulichung möchte ich dir von Kerstin erzählen, einer 45-jährigen Frau, die es schwer hat, tiefgehende und gesunde Beziehungen zu führen. Diese Situation macht sie unglücklich, und sie hat die Überzeugung, dass einfach noch nicht der richtige Partner dabei war.
In einer unserer Beratungssitzungen fragte ich sie, welche Gedanken sie sich immer wieder sagt, wenn sie mit potenziellen Partnern in Kontakt tritt. Sätze wie: „Ich brauche niemanden“ oder „Am Ende kann ich mich nur auf mich selbst verlassen“ kamen zum Vorschein. Gemeinsam haben wir den zentralen Glaubenssatz „Ich kann mich nur auf mich selbst verlassen“ formuliert. Dabei machte ich ihr bewusst, dass wir nicht in ihre Kindheit zurückblicken müssen – ein Blick auf das Hier und Jetzt reicht aus, um an diesen Themen zu arbeiten.
Im weiteren Verlauf erkundeten wir, welche Gefühle hochkommen, wenn sie diesen Satz wiederholt. Die Hauptemotionen waren Einsamkeit, Hilflosigkeit und Wut.
Hier wird es spannend: Zum Schutz neigen wir dazu, unsere negativen Emotionen zu verdrängen und wegzudrücken. Kerstin hat sich deshalb Schutzstrategien angeeignet, wie das starke Bedürfnis nach Autonomie (nach dem Motto: „Ich brauche niemanden“), Vermeidung (um Beziehungen zu umgehen, da sie glaubt, sich nur auf sich selbst verlassen zu können) und Projektion (die Überzeugung, dass die Männer schuld sind, wenn eine Beziehung nicht funktioniert). Wenn man bedenkt, dass sie eigentlich ein tiefes Bedürfnis nach Bindung und Beziehung hat, wird deutlich, dass diese Schutzstrategien zwar ursprünglich einen wichtigen Schutz bieten, jedoch hinderlich werden, wenn sie ihren Wunsch nach Verbindung und Nähe nicht berücksichtigen. Heute hindert genau dieser Schutz sie daran, eine glückliche, tiefgehende Beziehung zu führen.
Mit dem Wissen um ihre falschen Glaubenssätze und ihren eigentlichen tiefen Wunsch nach Beziehung haben wir liebevoll nach neuen, besseren Glaubenssätzen gesucht. Ein Glaubenssatz, der besser zu ihr heute sowie ihren Werten und Wünschen passt. Ich bin kein Freund von direktem Umformulieren wie: „Ich kann mich auf andere verlassen“. Unser Verstand ist schlau und weiß, dass wir uns auch mal täuschen können. Deshalb bevorzuge ich If-firmationen statt Affirmationen. Das „If“ steht für „wenn“:
„Ich kann mich auf mich verlassen, wenn ich mich mal getäuscht habe.“
Oder weniger allgemeine Sätze wie:
„Ich bin es mir wert, zu vertrauen.“ „Ich habe es verdient, mich einzulassen.“
Neue Glaubenssätze können auch als Fragen formuliert werden, denn unser Gehirn sucht immer nach Antworten:
„Wie ziehe ich Menschen in mein Leben, auf die ich mich verlassen kann?“
Jeder darf den neuen Glaubenssatz wählen, der sich am stimmigsten anfühlt. Ich habe Kerstin weiter gefragt, welche Gefühle hochkommen, wenn sie diese Sätze wiederholt. Geborgenheit, Sicherheit und Vertrauen waren die Antworten.
Es ist ein guter Zeitpunkt, um die Schatzstrategien für den neuen Glaubenssatz zu finden. Denn die Schatzstrategien sind der eigentliche Motor für Veränderung. Dazu gehören ein tiefes Verständnis für Resilienz, Raum für Veränderung, gesunde Grenzen und innere Stabilität.
Eine hilfreiche Formulierung zur Entdeckung von Schatzstrategien könnte sein: "Ich erlaube mir, in Beziehungen zu vertrauen, für bessere und gesündere Beziehungen. Ich erlaube Offenheit, für mehr Nähe. Ich erlaube mir Unterstützung, trotz meiner Ängste. Ich erlaube mir Entscheidungen für mein Wohl zu treffen, und ich schätze gleichzeitig die Hilfe, die ich von anderen erhalte."
Wenn wir uns bewusst machen, dass wir einiges zu gewinnen haben, wird unsere Psyche automatisch Wege finden, die uns in eine bessere Zukunft schubsen.
Hast du auch Themen oder Konflikte im Hier und Jetzt und fragst dich, warum es nicht besser wird? Immer wieder die gleichen Dynamiken und Wiederholungen? Dann macht es Sinn, deine Glaubenssätze zu hinterfragen.
Gerne unterstütze ich dich dabei.
Herzlichst,
Jacqueline
Coaching & Psychologische Beratung
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